Freundeskreis Münster - Rishon LeZion e.V. 
 


Dipl.-Theol. Ludger Hiepel M.A. Dipl.-Theol. Ludger Hiepel M.A.

Besuch des Jüdischen Friedhofs in Münster

Der Verein „Freundeskreis – Münster Rishon LeZion e.V.“ hatte seinen Mitgliedern am 23.03.2025 einen Besuch auf dem Jüdischen Friedhof an der Einsteinstrasse in Münster angeboten.

16 Mitglieder nahmen dieses Angebot wahr und erlebten eine fast zweistündige dauernde, höchst informative Führung über den 1812 dort errichteten Friedhof im Zentrum unserer Stadt.

Über den Friedhof mit rund 400 Grabdenkmäler führte kein geringerer als Dipl.-Theol. Ludger Hiepel M.A., Mitglied des Vorstandes des „Verein zur Förderung des Jüdischen Friedhofs an der Einsteinstr. Münster e.V.“ 

Der Verein betreut heute die digitale Dokumentation des Friedhofs. Sie wurde in den Jahren 2012–2015 am Seminar für Exegese der Katholisch-Theologischen Fakultät unter der Leitung von Dr. Marie-Theres Wacker erarbeitet. Herr Hiepel koordinierte damals schon das Projekt.
Er ist derzeit akademischer Rat auf Zeit an der Katholisch-Theologischen Fakultät und auch Beauftragter gegen Antisemitismus an der Universität Münster.

An dieser Stelle möchte sich die Gruppe bei Herrn Hiepel recht herzlich für diese Führung bedanken.
Es herrschte Einstimmigkeit darüber, dass diese zwei Stunden nicht nur äußerst interessant und informativ waren, sondern auch in einer verständlichen und nachvollziehbaren Weise von ihm mit Herzblut übermittelt wurden. Danke!


Herr Hiepel hat uns nicht nur mit seinem Fachwissen den Friedhof von seiner Entstehung 1812 bis zum heutigen Tag mit spannenden Beispielen näher gebracht, er hat uns auch anhand von Grabsteinen, Inschriften und deren Gestaltung erkennen lassen, dass dieser Friedhof auch einwertvoller Spiegel deutsch-jüdischer Kultur- und Sozialgeschichte in unserer Stadt ist.

 

Gedenkstein ältestes Grabsteinfragment von 1313-1314



Wir haben auch erfahren, dass der Friedhof an der Einsteinstrasse nicht der erste jüdische Friedhof in Münster ist – bereits die mittelalterliche jüdische Gemeinde Münster, deren Anfänge bis ins 13. Jh. zurückreichen, besaß einen Begräbnisplatz. Er lag auf dem Gelände des heutigen Gymnasium Paulinum, wo heute ein Gedenkstein daran erinnert. Lediglich zwei Grabsteinfragmente – das älteste von 1313/14 und ein weiteres von 1324 – sind von diesem Friedhof heute noch erhalten.





 

Grab von Sophie und Prof. Dr. Alexander Haindorf

Der älteste erhaltene Grabstein ist der von Sophie Haindorf (geb. Marks; 01.05.1791 – 06.09.1816). Sie ist die Frau von Prof. Dr. Alexander Haindorf und starb kurz nach der Geburt ihrer Tochter Sophie. Alexander Haindorf war erster jüdischer Abiturient des Hammer Gymnasiums, studierte Medizin, Psychologie und Philosophie und wurde in Heidelberg promoviert. 

Trotz öffentlicher Auszeichnung und Habilitation gelang ihm der Erwerb einer Professur jedoch nicht, weil „noch kein einziges Beispiel vorhanden war, dass auf irgendeiner Universität Deutschlands ein Jude als öffentlicher Lehrer angestellt war“. 

Nach zweijährigem Studienaufenthalt in Paris ließ er sich als praktischer Arzt in Münster nieder, wurde Dozent an der Universität, nach deren Verlegung 1818 nach Bonn an der „Chirurgischen Anstalt“ in Münster.

Aufgrund seiner eigenen Lebenserfahrung sah Haindorf seine Aufgabe darin, die Isolation und das Bildungsdefizit des Judentums seiner Zeit durch Ausbildung von fähigen Lehrern zu beheben. Jüdische Kinder sollten mit dem Bildungsgut der christlichen Umwelt vertraut und die im Mittelalter verordnete Berufsbeschränkung auf den Handel durch Ausbildung zu Handwerkern überwunden werden. Dieser Intention entsprechend gründete er im Jahre 1825 ein Lehrerbildungsseminar und vermittelte jüdische Jugendliche in Handwerksberufe.

Als Liebhaber und Sammler von Kunstwerken, die zum Teil nach seinem Tode in den Besitz des Westfälischen Landesmuseums gelangten und dort zum wertvollsten Bestand zählen, wurde er Gründungsmitglied des Westfälischen Kunstvereins (1831) und förderte zahlreiche junge
Künstler.

Haindorf wurde am 1. Mai 1791 in Hamm geboren und starb am 16. Oktober 1862 in Caldenhof bei seiner Tochter Sophie. Seinem Wunsch entsprechend wurde er auf den jüdischen Friedhof in Münster begraben. 

Die Stadt Münster ehrte ihn nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Benennung einer Straße: Der Marks-Haindorf-Stiege

Eine ausführlichere Beschreibung findet sich in der Dokumentation
https://app.juedisches-leben-muenster.de/persons/379


Weitere Stationen des Rundgangs auf dem Friedhof waren dann u.a. die Grabstätten von Dr. Zwi Sofer, von Margarethe Marks, vom   Ehepaar Goldenberg und Ruth Frankenthal. Der Verein hat auch in seiner WebApp „Jüdisches Leben in Münster“ eine Tour zu Haindorf und Abraham Sutro, der fast zeitgleich zu Haindorf Oberrabbiner in Münster war:
                                       https://app.juedisches-leben-muenster.de/#/tours/streit-um-juedische-identitaet/overview





 

Freundeskreis Münster - Rishon LeZion auf dem Jüdischen Friedhof in Münster am 23.3.25



 











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